Schon seit zwei Wochen will ich was zu diesem Thema schreiben, und jetzt habe ich endlich mal Zeit. Ich habe ja auch so einen Plexi und daher die Möglichkeit des direkten Vergleichs.
Zunächst einmal, der pure Plexi-Sound ist nicht jedermanns Sache. Alleine gespielt, klingt er für viele Leute zu knochig, mittig, rabiat. Geschmackssache. Mir gefällt es. Aber egal, ob man den Sound pur mag oder nicht, in jedem Fall fräst er sich gnadenlos durch fast jedes Arrangement und setzt sich durch, wie man so schön sagt. Im Gesamtsound einer Band klingt er dann oft auch für diejenigen, die ihn pur nicht mögen, dann wieder genau passend. Aber das nur vorweg.
Zu der Frage "kann der Axe-Fx einen Plexi-Sound erzeugen?" hat Paco ja bereits ein schönes musikalisches "JA!" abgeliefert. Ich möchte diesem JA nachdrücklich zustimmen. Meinen Plexi habe ich mit dem Axe-Fx 1:1 nachgebaut und keiner der Leute, die das gehört haben, konnte im direkten A/B-Vergleich noch einen nennenswerten Unterschied feststellen. Es geht also.
Warum entsteht aber dann bei einigen Leuten der Eindruck, der Axe-Fx könnte den Plexi nicht rüberbringen? Da habe ich eine These. Ich glaube nämlich, dass hier Äpfel mit Birnen verglichen werden. Aber dazu muss ich etwas ausholen.
Betrachten wir mal die komplette Soundkette vom Spieler bis zum Ohr. Die sieht etwa so aus:
Gitarrist -> Finger (-> Plektrum) -> Gitarre -> Kabel -> Preamp -> Poweramp -> Speaker (-> Mikrofon -> Aufnahmetechnik -> Wiedergabetechnik -> Speaker) -> Ohr
Die Sachen in Klammern sind optional. Die Kette kommt aber immer so oder so ähnlich in Anwendung.
Und wir tauschen jetzt einen Teil der Kette aus. Axe-Fx statt Röhre. Am Einfachsten für alle Beteiligten (einschließlich Gitarrist und Axe-Fx) ist es, nur den Preamp auszutauschen. Das merkt man daran, dass so viele Leute auf die Lösung "Axe-Fx mit Poweramp und Gitarrenbox" stehen. Man kann aber auch erfolgreich einen größeren Teil der Kette austauschen und zB auch noch die Gitarrenbox durch eine Speakersimulation ersetzen. Dass auch das funktioniert, sieht (und hört) man nicht zuletzt bei Dweezil Zappa.
Was aber in die Hose geht, ist das Austauschen einzelner Teile der Kette durch schlechtere. Ersetze ich zB den Poweramp eines echten Röhrenverstärkers durch irgendeine käsige Endstufe, dann ist das Ergebnis halt auch entsprechend schlecht und das ist nicht die Schuld des Axe-Fx.
Wer bei "käsige Endstufe" an Nobbis Velocity-Beispiel gedacht hat, liegt schon mal nicht schlecht. Aber das geht ja noch weiter: Wenn ich einen YouTube-Schnipsel (wie hier in diesem Thread) mit den eigenen Axe-Fx-Resultaten zuhause vergleiche, dann habe ich ja die komplette Kette ausgetauscht und es gibt Dutzende Möglichkeiten für Abweichungen. Warum sollte dann ausgerechnet der Axe-Fx Schuld sein? Kann ja auch an der Gitarre liegen, am Gitarristen oder an der Box, was weiß ich.
Gitarristische Individualität: Mit persönlich fällt beim Sound des Plexi nicht das Wort "schmatzen" ein. Dieses Wort würde ich eher mit dem Sound eines P90-Pickups am Hals assoziieren. Und dieses Schmatzen kommt auch nur dann, wenn ich es will. Kann ja auch sein, dass mein wundervoll schmatzender Plexi-Sound, so wie ich ihn eingestellt habe, nur dann erklingt, wenn ich selbst spiele. Dass es bei einem anderen Gitarristen ganz anders klingt. Jeder Gitarrist hat seine eigene Art zu spielen, und hat einen unterschiedlichen Vorrat an Nuancen, die er seinem Instrument entlockt.
Nun klingt mein Axe-Fx also genau wie mein Plexi, wenn ich selbst spiele. Das heißt ja, dass der Axe-Fx nun zumindest an genau denjenigen Stellen des spielerischen Spektrums mit dem Plexi übereinstimmt, die ich selbst als Gitarrist erzeugen kann. Ersetzt man mich jetzt durch einen anderen Gitarristen, der ein anderes musikalisches Spektrum erzeugt, der andere Töne und Obertöne abliefert als ich, dann klingt der Axe-Fx vielleicht doch nicht mehr genau wie der Plexi, weil meine Simulation eben genau auf mich abgestimmt war und für den anderen Gitarristen nun noch nachgeregelt werden muss.
Das weiß jeder, der mal einen anderen Gitarristen an sein Setup gelassen hat. Alles klingt total anders.
Und wenn ich jetzt irgend einen YouTube-Clip anhöre, dann kommt diese eine magische Zutat, die für mich in diesem Moment einen geilen Plexi-Sound ausmacht, ja vielleicht aus den Fingern des Gitarristen, der den Clip eingespielt hat. Fehlt meinem eigenen Spiel diese Komponente, dann habe ich mit dem Axe-Fx nicht die geringste Chance.
Nobbi, wenn Du den Plexi-Sound nur von solchen Aufnahmen kennst, dann wird es Dir bei so vielen Unbekannten in der Klangkette natürlich sehr schwer fallen, den Sound mit dem Axe-Fx nachzubauen. Du weißt ja in diesem Fall noch nicht mal, wie der Gitarrist genau spielt.
Da hilft imho nur, sich mal einen entsprechenden Amp zu besorgen (eventuell hat der örtliche PA-Verleiher sowas) und dann A/B-Vergleiche zu machen. Und wenn dann der Axe-Fx für Dich genau so klingt wie das Original (und das kann er, jede Wette!), dann kannst du dich an den nächsten Schritt wagen und versuchen, genau so zu spielen wie der Gitarrist im Clip.
Vorher ist das ein Herumprobieren mit mehreren Unbekannten und das geht meistens in die Hose.
Wie immer: imho, ymmv, etc. pp.
Liebe Grüße
Friedlieb